Was ist
moderne Kunst ? Oder ein
Besuch der Documenta 12 in Kassel.
von Dr. Norbert Fink
Nicht nur unser Landeshäuptling Sausgruber, der mit
seinem Auto seiner Eskorte davonfuhr, besuchte am letzten Wochenende 22./23.
Sept. die Documenta in Kassel, sondern auch unser Kunstfreund Nobi Fink, der ja
mehrere Jahre auch Mitglied einer Vbg. Kunstkommission war und so einigen
Einblick in die Kunstszene hat.
Die Documenta vermarktet sich auf jeden Fall sehr gut. 754.301 zahlende Besucher wurden gezählt, wieder rund 100.00 mehr als im Vorjahr und dies mit Werken, die alles andere als Mainstream, leicht konsumierbar oder verkäuflich, bzw. im bürgerlichen Sinne „schön“ sind.
Die Documenta gilt als die weltweit
bedeutendste Ausstellung für zeitgenössische Kunst. Sie findet alle fünf Jahre
für die Dauer von jeweils 100 Tagen in Kassel statt. Die erste Documenta wurde
1955 veranstaltet und war damals der im 3. Reich als „entartet“ abqualifizierten
Kunst gewidmet. Jede Documenta hat es sich zum Ziel gesetzt, den jeweils
geltenden Kunstbegriff zu erweitern und in Frage zu stellen. Wer nur Schönes,
Dekoratives oder als Geldanlage wertvolles unter Kunst versteht, wird nur den
Kopf schütteln und sich fragen, was hat das mit Kunst zu tun? Allerdings atmet
der Besucher eine sehr belebende und fantasieanregende Atmosphäre, und die
wussten die vielen Besucher aus vielen Ländern, darunter auch viele junge
Menschen, offenbar zu schätzen..
Es beginnt schon vor dem Hauptgebäude, dem Friedericanum, wo Klatschmohn
gepflanzt wurde und dieses rot blühende Feld zur Kunst erklärt wurde. Sanja
Ivekovic wollte mit dem Rot Schönheit und revolutionäre
Hoffnungen symbolisieren. Natürlich wurde mit deutscher Gründlichkeit
überwacht, dass niemand ein Pflänzlein stielt.
Am Rande dieses Feldes war auch ein Ringelspiel, das die öffentliche Gewalt und die Ausgrenzung der Immigranten verdeutlichte.
Die meisten Exponate waren auf 5 große Gebäude verteilt: das Friedericanum, die
eigens errichtete Documenta-Halle, den Äue-Pavillion im Grünen, die Neue Galerie
und auf der Wilhelmshöhe über Kassel das Schloß Wilhelmshöhe. In letzterem ist
eigentlich ein klassisches Kunstgeschichtliches Museum untergebracht, welches
mit den bedeutendsten Werken Rubens und der Flämischen Schule bestückt ist, doch
wurden hier keck einige moderne Werke zwischen die Alten Meister gehängt.
Eines der Leitmotive, das deutlich sichtbar gemacht wurde, hieß „was ist das
bloße Leben?“
“Diese Frage gilt der absoluten Verletzlichkeit und Ausgesetztheit menschlichen
Lebens. Sie richtet sich auf den Teil unserer Existenz, den keine wie auch immer
geartete Sicherheits-maßnahme je schützen wird. Doch wie in der Sexualität
können absolute Verletzlichkeit und unendliche Lust unbehaglich dicht
beieinander wohnen. Das bloße Leben kennt eine apokalyptische und
unmissverständlich politische Dimension, an deren Ende die Folter und das
Konzentrationslager stehen.“ (Zitat Homepage Documenta)
Zu diesem Thema gehörten auch scheinbar banale Fotos und Vorschläge, wie man in
Flüchtlingslagern oder brasilianische Favelas etwas „verschönern“ könnte sowie
provokante Bilder wie die „Refugee Camp Condom Vending Machine“ des Juan
Davila.
Die meist großflächigen Provokationen Davilas waren in jeder Halle
zu sehen. Selbst der lateinamerikanische Freiheitskämpfer Simon Bolivar wurde
von seinem Spott nicht verschont, und dies, obwohl Davila aus Chile flüchten
musste und nun in Australien lebt und an sich sehr US-kritische Aussagen macht.
Im klassischen Sinne „schön“ war eine Wachsskulptur oder auch eine übergroße
Eierschale.
Eine Installation, die das Gefühl der Bedrohung deutlich machte, war ganz
einfach: Zuerst wurde man eine Stiege hinunter in einen dunklen Raum geführt, in
dem ein LKW-Anhänger mit Fässern bzw. militärisch anmutendem Material war, um
diesen musste man im Dunklen herumgehen, danach ging es in einen Raum, der ein
großes Fenster auf den Park draußen hatte, doch war dieses so gefiltert, dass
man aufgrund der Adaptation des Auges die Realität nur schwarz-weiss und unreal
wahr nahm, also daran zweifelte, was man eigentlich sah.
Trat man tatsächlich ins Freie, so erschien die Natur subjektiv zuerst mal
blau.
Kinderliebling der Documenta war die ausgestopfte, etwas zerknautschte Giraffe «Brownie» von Peter Friedl. Der Österreicher hatte „Brownie“ von Palästina nach Kassel geholt, um daran zu erinnern, dass auch Tiere Opfer des palästinensisch-israelischen Konfliktes werden. „Brownie“ starb bei einem israelischen Angriff in einem Zoo der Westbank.
Am 20. Juni war nach einem Wolkenbruch das Außenkunstwerk des Chinesen Ai Weiwei zusammengestürzt - der Holzturm «Template» aus Tür- und Fensterrahmen hatte den Wassermassen nicht standgehalten. Der Künstler hatte daraufhin erklärt, dass das Objekt viel besser aussehe und sich der Preis dafür verdoppelt habe.
Kritisch war anzumerken, dass der innerstädtische öffentliche Verkehr die
Besuchermassen nur schlecht schluckte. So fährt nur alle 15 Minuten eine völlig
überfüllte Tram vom Friedericanum zum ICE Bahnhof Wilhelmshöhe, von dort aus
muss man in einen Bus umsteigen um zum Schloß zu gelangen. Und die
Busverbindung zum „ibis“-Hotel war gar nur stündlich! Kein Wunder, dass unsere
deutschen Nachbarn so zum Autofahren erzogen werden! Im Eintrittspreis von 27€
(für 2 Tage) waren die Öffis eigentlich enthalten, aber kleinlicherweise nur
zwischen den Documenta-Objekten. Also hieß es wieder zahlen, wenn man zurück ins
Hotel wollte, oder gar den Taxi rufen, weil der Bus ausgerechnet 2 Stationen
vorher endete.
Vor der Rückfahrt sahen wir uns noch das Schloß Wilhelmshöhe (1717 errichtet) an
und bestaunten auch die Alten Meister. Die üppigen Damen eines Rubens müssen ja
auf die magersüchtigen Models mindestens so provokant wirken wie der Juan Davila
auf George Bush!
Ich hoffe euch damit angeregt zu haben, sich auch einmal mit zeitgenössischer
Kunst zu beschäftigen, sei es als Neue Musik oder Bildende Kunst, doch halt,
auch diese Schubladisierungen sind Schnee von gestern, jede(r) kann sich seine
Umwelt künstlerisch gestalten !
© Dr. Norbert Fink 2007
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