Nicaragua Dez. 2012


Politische Vorbemerkungen

Daniel Ortega, was machst du?

 

Ein paar politische Bemerkungen zu einer Nicaragua-Rundreise, die ich im Dezember 2012 gemacht habe. Erstmal das ganz Positive: Nicaragua ist ein schönes, freundliches und äußerst sicheres Reiseland und relativ preiswert. Die Preise in den Restaurants (und den meisten Geschäften) sind allerdings netto, es kommen 15% MWSt und 10% „freiwilliges Trinkgeld“ dazu, das schon auf der Rechnung aufgedruckt ist.

Daniel Ortega Plakat 2012Nicht zu übersehen ist ein gewisser Personenkult um Daniel Ortega. Überall sieht man riesige Plakate in pink, die Daniel und eine „2“ oder  2x 2 zeigen. Das soll bedeuten, dass er nochmals zwei Perioden Präsident sein möge, obwohl die ursprüngliche von seiner Partei beschlossene Verfassung vorsah, dass eine Person nur zwei Legislaturperioden lang Präsident sein darf. Als er diese zwei hinter sich brachte, wollte er aber nicht abdanken und änderte die Verfassung. Das nahmen ihm viele revolutionäre Freunde aus der FSLN (Frente Sandinista de Liberación Nacional), die heute mit rund 75% der Stimmen die Regierung stellt, übel. Auch das damalige intellektuelle Aushängeschild Ernesto Cardenal, der suspendierte Priester, Befreiungstheologe und Poet verließ die Partei.
Während die Farben der FSLN rot und schwarz waren, mutierten die neuen Sandinisten zum rosa! Man sieht auch oft auf dem Lande handgemalte Freundschaftsbekundungen mit „Daniel 2x“, die durchaus den Wunsch der Bevölkerung widerspiegeln mögen.

Zur Erinnerung: seit über 100 Jahren wird Nicaragua von Bürgerkriegen erschüttert, die im Prinzip immer ein Befreiungskampf gegen den Einfluss der USA auf das Land waren. Bereits 1912 besetzten US-Marines das Land, damals wollte man in Nicaragua den Kanal zwischen der Karibik und dem Pazifik bauen, doch er ließ sich leichter in Panama verwirklichen. (Der Nikaragua-Kanal soll aber ab 2014 tatsächlich gebaut werden!).
Es gab eine Dynastie von drei Generationen Somozas, die allesamt übelste Diktatoren und Marionetten der USA waren. Dem ersten fiel ein gewisser Augusto César Sandino zum Opfer, der 1927 relativ erfolgreich gegen die US-Rangers kämpfte und bei einem Friedensabkommen einen nikaraguanischen Verhandlungspartner akzeptierte. Doch nach dem Abendessen am Tage des Friedensabkommen wurde er erschossen! So entstand die Kultfigur der nikaraguanische Revolution, Sandino. Dem folgten weitere Somaza-Diktaturen, die letzte war die übelste, und sie brachte (wie 1959 auch im Kuba) das ganze Volk gegen sich. Letzter Auslöser war, dass Somoza sich beim schweren Erdbeben von 1972 selbst an den Hilfsgeldern bereicherte. So kam es ab 1977 zum bewaffneten Widerstand der FSLN gegen Somoza. Am 17.7.79 siegte die Revolution und Somoza floh. Die Sandinisten regierten darauf friedlich, demokratisch und sozialistisch. Ernesto Cardenal wurde Kulturminister. Als Reagan in den USA an die Macht kam, wollte er die Sandinisten stürzen und unterstützte die Contra-Bewegung, die von Honduras aus operierte. Die ersten freien Wahlen in Nicaragua im Jahr 1984 erbrachten eine Bestätigung der sandinistischen Regierung. Internationale Wahlbeobachter, darunter der amerikanische Expräsident Jimmy Carter, attestierten damals einen fairen Verlauf. Bei den nächsten Wahlen im Februar 1990 gelang es jedoch der rechten Opposition mit Violeta Chamorro, die aus einer Industriellen- und Verlegerfamilie stammte, 55% der Stimmen zu erlangen. Bei der Machtübergabe sollen die Sandinisten allerdings noch einiges an sich gerafft haben. 1996 setzte sind Arnoldo Alemán von Rechten durch, seine Regierung mündete ebenfalls in Korruption und Vetternwirtschaft, erst 2006 konnte sich die FSLN unter Daniel Ortega wieder durchsetzen, er ist seither mit massiver Mehrheit demokratisch an der Macht und sehr beliebt,
wenngleich er sich vor den Augen des Westens mit der Hofierung des iranischen Präsidenten Ahmedinedschad blamiert hatte. Dass in der ganzen Region Hugo Chavez hoch verehrt wurde, erscheint bei uns manchen unverständlich, ist aber verständlich wenn man sieht, wie die USA überall Terror in der Region (und das Embargo gegen Kuba) säten und nur Chavez auf demokratische Weise erfolgreich dagegen Paroli bietet.
Nicht vergessen werden darf, dass die Sandinisten eine erfolgreiche Alphabetisierungskampagne machten und ein freies, kostenloses Gesundheitswesen einführten (von dem die USA nur träumen könnte).


Leider vermisst man in Nikaragua einige revolutionären Errungenschaften: so ist die Abtreibung bis heute strafbar, und mit den Contras kamen auch viele evangelikale Sekten ins Land (US-Sekten betreiben praktisch auf religiöser Ebene in ganz Lateinamerika die Konterrevolution) und die Bürokratie wuchert. So braucht man um mit einer Fähre auf eine Insel zu kommen bei vier verschiedenen Stellen eine Kleinigkeit zu zahlen: Mal fürs Auto, mal für die Personen, dann eine kommunale Steuer, dann erst für das Fährschiff selbst und alles wird auch natürlich 4 x kontrolliert; der Grenzübertritt zwischen Nicaragua und Costa Rica dauert für Individualreisende rund zwei Stunden, für LKW 2-3 Tage (ist allerdings auf der panamesischen Seite detto), Höhepunkt ist eine Pseudo-Desinfektion des Autos, das man vor der jeweiligen Einreise machen muss! Ähnlich geht es auf Inlandsflügen zu, wo man noch händisch Passagierlisten schreibt.

Wenn Daniel Ortega im Fernsehen spricht, müssen sich alle Sender durchschalten und die ausländischen Sender im Kabelnetz werden abgeschaltet.

Als entspannter Tourist nimmt man diese Dinge erstaunt zur Kenntnis.
Übrigens, die Polizei ist im Gegensatz zu den Nachbarstaaten nicht korrupt. Wir wurden dreimal mit dem Mietwagen gestoppt und kon
nten nach der üblichen Kontrolle von Pass und Papieren mit freundlichen Grüßen unbehelligt weiter fahren. Das ist leider in Lateinamerika nicht selbstverständlich!


Touristisches
Anreise:
Wir sind über Amsterdam mit der KLM nach Panama City geflogen, dann weiter mit der Copa (Star Alliance) nach Managua. KLM bietet erschwinglich eine Komfort-Class, die vor allem großen oder beleibten Menschen sehr zu empfehlen ist. KLM bot den Copa-Flug als Zubringer an. Auch Panama war durchaus besuchenswert!

Managua
Touristisches Muß sind:
Die seit dem Erdbeben von 1972 einsturzgefährdete Kathedrale,
der Nationalpalast mit sehr kompetenten Führungen
der Puerto Salvador Allende - der Malecon am Wasser
der Lomo de Tiscapa
(Vulkankrater, auf dem ein Sandino - Museum steht, wo einst Somaza wütete)

in der Umgebung: der Vulkan Massaya Nationalpark und die Stadt Massaya mit seinem berühmten Markt, der Montibelli Naturpark

Granada
Granada, Nikaragua
eine sehr schöne Kolonialstadt mit der Kutsche besichtigen! Der alte Bahnhof (stillgelegt zu Zeit Chamorros), der Friedhof mit riesigen Grabstätten, die Islettas sind viele kleine Inselchen, die man mit Booten besuchen kann.


 

 

 

 

 

 

 

 

Kutschenfahrt in Granada

Ometepe
ist eine Insel im Lago Nicaragua, die über eine Fähre erreichbar ist. Viel Natur und Öko-Kaffeeplantagen sind zu bewundern. Sehr empfehlenswert.

San Juan de Sur
ist ein beliebter Badeort am Meer. Am Wochenende ist hier schwer Ruhe zu finden. San Juan del Sur gilt als der schönste Strand, kann aber mit den Stränden Cubas oder Brasiliens nicht mithalten. Negativ: es gibt praktisch keine Wegweiser auf den Straßen, bestenfalls entlang der berühmten Panamericana. Frühstück ist auch Mittelklassehotels sehr dürftig (Bohnen mit Reis, Spiegelei, Toastbrot) ev. Pancakes mit Ahornsirup, niemals das bei uns übliche Nievau von Frühstücksbuffets! Ordentliche Fleischgerichte 8-16$, Bier 1,25 (0.36), Weine ab 12$ (In Supermärkten ab 8$ aus Chile/Arg.), günstige Cocktails, Nationaler Rum: Flor de Caña. Die scheinbar günstigen Preise auf den Speisekarten relativieren sich freilich: es kommt noch 15% IVA/MWSt. und 10% „freiwilliges“ Trinkgeld dazu!

Über Matagalpa in den Schwarzwald (Selva Negra)
Terrocaril 1903Das Selva Negra Resort (siehe meine Kritik auf tripadvisor) liegt im Wald und hat viele kleine Bungalovs. Dort bauten um 1903 einige Deutsche ein "Terrocarril",
da sich Eisenbahnschinen zu schwer verlegen liessen. Die Idee war aber doch nicht so genial, versank das Ungetüm doch im Schlamm. Botanische Gärten, Orchideen, der Regenwald und Seen laden zu Spaziergängen ein. 

 

 

 

In Matagalpa gibt es ein Museum zu Ehren des sandinistischen Revolutionärs Fonseca, ein Kaffeemuseum, ein Schokolademuseum u.v.am.
Weiter fuhren wir nach über Jinetega  nach Esteli dann über eine wilde unbefestigte Strasse via El Sauce, hatten Blick auf den Vulkan Telica und landeten im schönen Leon.



Leon
war sicher der Höhepunkt
.
Die berühmte Kathedrale hat einen sehr beeindruckenden Leidensweg. Vom Revolutionsmuseum hat man Blick auf die Kathedrale. Deswegen wollte sogar Ortgea
daraus ein Luxushotel machen, doch alte Revolutionäre verhindern das. Alberto, der zwei Somoza-Kriege überlebte, führte uns durch das Museum und seine Erinnerungen. Leon, Blick vom Revolutionsmuseum auf die KathedraleDas Viertel um die Uni ist von Wandgemälden über die Revolution gesäumt. In der Nähe gibt es die "Flor de Cana" Rumfabrik in Chichigalpa, Poneloya zum Baden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Leon zur Griteria, Dez 2012Wir konnten zu Mariä Empfängnis die Zeremonie der "Griteria" mit Feuerwerk erleben. Reiche, Firmen und Parteien verschenken dabei an die Armen kleine Almosen (Bonbons, Werbegeschenke,...) . Ein Ausflug auf den Vulkan Cierro Negro sollte einkalkuliert werden. An seinem Fusse wird "Quesillo" , eine lokale Delikatesse angeboten.
Sehenswert auch Los Hervideros de San Jazinto, wo brodelndes Magma und Vulkandämpfe zu bewundern sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Isla de Maiz

Isla de Maiz, Nicaragua Mit einer zweimotorigen Turboprop-Maschine der "La Costena Airways" ging es zur Big Corn Island, ein kleines Karibikparadies!

DIE KUNST NICHTS ZU TUN

BEI SCHLECHTWETTER AUF DER KARIBIKINSEL BIG CORN ISLAND

Entschleunigt urlauben.
Es beginnt bereits mit dem Flugticket der „La Costeña“. Keine Flugnummer. Abflug? „12 Mittags“, Rückflug „6 AM“. Doch im Flugplan steht was anderes (14:00/ 7:45), es handelt sich um die Zeit, aber der am Mini-Airport der Check-in Schalter besetzt ist. Gewicht beschränkt auf 14,6 kg. Passagiere werden händisch in Listen eingetragen, Ausländer mit Passnummer. Eine ATR-42 Turboprop mit 36 Sitzen wartet, die Koffer werden zuerst, natürlich von Hand in einen Zwischenraum hinter dem Cockpit verstaut. Ansagen nur in spanisch. Service für die kurze Strecke OK, sogar zwei Rumsorten des „Flor de Caña“ gibt’s, bestelle also einen „Nica libre“ bekomme noch ein süsses Teigtäschchen dazu.
Auf Corn Island angekommen, beginnt die Bürokratie von neuem, die gleiche Liste wird nochmals handschriftlich erstellt, auch die Fluggepäcksnummer wird genau kontrolliert, bei zwei Flügen täglich sichert man so vier Arbeitsplätze!
Nikita -
(Foto-Nikita die freundliche Bedienung des "El Paraiso")

 

Die Insel selbst übertrifft jedes Klischee einer Tropeninsel. Die Landepiste wird in kürze von einem Ende zum anderen der Insel reichen, sie wird gerade für Internationale Jets verlängert. Rechts davon zwei Hügel, links davon zwei Strände.
Die Taxis sind ohne Nummernschild (bzw. nur an der Türe eine Taxi-Nummer), Einheitstarif 15 Cordobas (0,45€) nachts 20 C, Schüler 5. Egal wohin. Sammeltaxi, wer Platz hat, kommt noch mit.

Hunde, Schweine, Hühner laufen frei herum. Fröhliche, lachende, farbige Kinder mit Wuschelkopf posieren unaufgefordert zum Foto. Grüßt man mit einem kräftigen „Buenas!“ so grüßen alle freundlich zurück, egal welcher Hautfarbe oder Alters. Der Kontakt ist schon hergestellt und wenn man will, kann man etwas erfragen oder einfach quatschen.

Zwischen Palmen entdeckt man Wellblechhütten, in denen die Menschen offenbar fröhlich leben. Der kleine Farbfernseher läuft den ganzen Tag und verbreitet seine Werbespots auch hierhin. Auf UKW gibt es nur tagsüber den Sender der Sekte „Agua da Vida“ mit Gospelmusik und Predigten. Abends bleibt nur die alte Mittelwelle, wo man die kolumbianischen Sender der benachtbarten San Andrés – Inseln  oder auf Kurzwelle mehrere kubanische Sender deutlich hört (RHC 5050, Radio Rebelde 5025) und auch von Radio National do Brasil den starken Amazonas-Kurzwellensender auf 11780. Seit es weder BBC noch die DW noch gibt, ist es ruhig auf der Kurzwelle, punkt Mitternacht, bei uns 7 Uhr morgens, gabs klar zu hören auf 6155 das Ö1-Morgenjournal, das letzte Rudiment des einst stolzen „Radio Österreich International“. Ja soweit reicht der „Europarundstrahler“ aus Moosbrunn wieder!
Radio Havana Cuba ist der Platzhirsch auf allen Bändern und bringt als einziger seriöse Nachrichten. Spitzenmeldung
war immer die Sorge Fidels um den Gesundheitszustand von Hugo Chavez, aber auch der Skandal um die vergewaltigte Inderin oder das jüngste Schulmassaker in den USA werden ausführlich erörtert.
Geht man ein paar Meter auf einer Straße, hupt schon das nächste Taxi. Unvorstellbar, dass jemand in der Mittagshitze auch nur ein kurzes Stück zu Fuß geht. Höchstens Hunde und Deutsche machen das, sagten schon die Römer. Man lernt rasch, dass man weder Uhr, Fahrplan noch Handy braucht. Es klappt trotzdem.

Es ist Sonntag, der einzige Nikaragua-Führer beschreibt, wie gestriegelt und herausgeputzt die jungen Mädchen in die Kirche gehen. 18 verschiedene Religionsgemeinschaften gibt es auf diesen 6km2. Wir verirren uns zuerst zu den Baptisten, die uns freundlich begrüßen, aber die Kirche ist sonntagsmorgens fast leer, es gäbe nur die „Sunday School“. Knapp ein km weiter ist die katholische Kirche, knallvoll. Aber auch hier 80% Frauen mit ihren Kindern. 8 Junge Menschen in weissen Kleidern feiern Erstkommunion. Alle sind fröhlich, singen aus voller Kehle, geben dem Nachbarn die Hand, der Pfarrer wirkt überzeugt und authentisch. Es ist brütend heiß, die Ventilatoren geben ihr Bestes. Nach dem Segen spricht er uns verirrte Touristen an. Er sei auch mal in Deutschland gewesen und kann einen Brocken deutsch: „in München steht ein Hofbräuhaus – eins, zwei, gsuffa!

Mit dem Taxi fahren wir weiter zum „Picknick Center“, ein km weisser, sauberer Sandstrand. Kaum  20 Gäste. Eine Schweizerin aus Genf mit einer drallen Nica-Freundin, die locker einen Joint  rauchen und schon mittags eine Flasche Rum trinken. Lässige Salsa-Musik dröhnt aus den Boxen, das Wasser des Meeres ist wärmer als bei uns jenes des Hallenbades. Ich schätze 31 Grad.
Internet? Strom? Wasser? Ja aber, mal ist es da, mal nicht. Wir sind im Club „El Paraiso“, eine der besten Adressen. Kein TV, kein warmes Wasser in den normalen Cabanas. Wozu auch? Irgendwann geht es dann das WLAN plötzlich wieder, reicht zum Mails checken und Nachrichten lesen.

Am ersten Tag dachte ich mir, wie kann ich das nur 10 Tage überleben. Heute ist der 3. Tag und ich merke wie schnell und angenehm ein Tag mit Nichtstun vergeht, wie genussvoll das entschleunigte Leben ist und es wird jeden Tag noch langsamer werden. Meine Dosis an Blutdruckmitteln habe ich bereits halbiert, ohne deswegen Herzrasen zu bekommen. Wie ein Familienmitglied durfte ich dort am 25.12. Weihnachten feiern.

Nicaragua bietet also entspannten Urlaub und eher wenig Nachtleben.

 Norbert Fink

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