Hamburg – so schön wie Venedig, nur etwas billiger ?
von Dr. Norbert Fink





Bereits zu Ostern plante ich Hamburg zu besuchen und als eine Vorarlberger Billigfluglinie günstige Tickets ab Friedrichshafen anbot buchte ich spontan, erhielt aber zu dem offerierten günstigen Tarif erst im September die Flüge.
So flog ich frühmorgens am Freitag nach Hamburg, kaufte die „Hamburg Card“ für 3-Tage, womit der öffentliche Verkehr und viele Ermäßigungen abgedeckt waren. Schon gegen 9:30 war ich im Hotel, wo natürlich das Zimmer noch nicht bezugsreif war. Also Koffer abgestellt und gleich weiter an die „Landungsbrücken“.

 


Die U-Bahnstation Landungsbrücken ist eigentlich eine Hochbahnstation und bietet sofort einen schönen Blick auf den Hafen, die Werften und die Speicherstadt. Hamburg liegt bekanntlich nicht am Meer sondern an Elbe und Alster. Die Schiffe fahren also die Elbe entlang bis Hamburg. Früher gab es den Stückgutverkehr, da wurde Stück für Stück der Fracht mit Seilaufzügen aus dem Schiff in die riesigen Speicher entladen und so entstand die Speicherstadt.


Mit der Einführung der Containerschiffe wurde dies radikal anders. Die Container werden
heute bereits vor Hamburg auf LKW oder die Bahn verladen. Das ganze geht sehr schnell.
Früher lag ein Schiff mehrere Tage vor Anker, wurde entladen, gewartet, beladen und dabei hatten die Matrosen Zeit, sich im nahe dem Hafen gelegenen Stadtteil St. Pauli zu vergnügen.
Heute haben sie dazu keine Zeit und vielleicht auch gar nicht das Visum um an Land zu gehen. Heute gehen nicht mehr die Matrosen zu den Damen, sondern die registrierten Damen gehen auf die Schiffe!
Ein heutiges Containerschiff ist nur noch auf eine Lebensdauer von 15 Jahre ausgelegt und recht häßlich, früher sollte ein Schiff mindestens 40 Jahre lang halten. Die meisten Schiffe, selbst die in den berühmten Werften von Hamburg hergestellten, erhalten meist die Flagge eines Billiglandes, melden sich dort an, wo die Gebühren am billigsten sind und die arbeitsrechtlichen Vorschriften am unternehmerfreundlichsten sind.


Somit ist die Speicherstadt als Speicher obsolet geworden, heute werden die riesigen Backsteingebäude anderweitig genutzt, einzig die Perserteppiche (im Wert von rund 1,3 Mrd €)  lagern noch hier. Hinter der Speicherstadt entsteht ein neuer Stadtteil (Seestadt), der 2010 durch die Eröffnung der Elbphilharmonie gekrönt werden soll.
(Modell)


In so ein Gebäude der Speicherstadt wurde auch die Miniatur-Wunderwelt, die größte Modelleisenbahn der Welt gebaut. 120 Mitarbeiter bauen ständig daran, rund 12 km Geleise in Spur H0 wurde bereits verbaut. Ich habe mich dazu 3 Wochen vorher im Internet anmelden müssen, um noch am Freitag einen Einlasstermin zu reservieren. Ansonsten hätte ich wohl über 3 Stunden Schlange stehen müssen, um überhaupt hineinzukommen. Das faszinierende sind die Landschaftsbauten, sogar eine Schleuse mit Wasser und Modellschiffen gibt es, Autos fahren gem. STVO auf unsichtbaren Schienen, die Feuerwehr löscht einen Brand. Überall gibt es menschliche Szenen in Bewegung und auch Tag und  Nacht wird effektvoll simuliert. Über 30 Server sind nötig, um die tausenden (!) von Züge digital zu steuern.



Die Reeperbahn ist heute nur noch ein Mythus. Abends gehen hier Familien flanieren und Theater, Restaurants, Musikkneipen dominieren eigentlich. Natürlich gibt es die Sexshops, Bordelle und Nachtclubs mit Shows noch, doch dreht es sich längst nicht mehr nur um sie.
Männliche Konsumenten des Gewerbes wird dies eher abschrecken und sie werden wohl gemütlichere Adressen suchen. Wie bereits gesagt, die Matrosen haben keine Zeit mehr hierher zu kommen.

 

Neben einer Hafenrundfahrt mit einer Barkasse in die Speicherstadt und die wichtigsten Werften (ein russischer Milliardär lässt sich dort gerade die größte Privatjacht der Welt bauen, 125 m lang) ist auch eine Stadtrundfahrt mit einem der Touristen-Doppeldecker und eine Alster-Dampferfahrt ein Muss für jeden Hamburgbesucher.
Hier lernt man, dass Altona und Hamburg früher getrennte Städte waren, das weiße Altonaer Rathaus ist eine der in Deutschland begehrtesten Adressen zum Heiraten.

und das Hamburger Rathaus – es war gerade Tag der offenen Tür – ist nur mit dem Buckingham Palace zu vergleichen, es hat sogar um vier Räume mehr als jener. Innen unvorstellbarer Prunk und außen mächtig!

 

Die Alster wurde künstlich aufgestaut, wodurch die Binnenalster und die Aussenalster als schiffbare Seen entstanden. Mit dem restaurierten Dampfer „St.Georg“ ging es so am Sonntagmorgen auf das Schiff, um von Bord aus die teuersten Hotels, die Villenviertel
und die als „Silikonbande“ bezeichneten schönheitschirurgischen Kliniken zu bewundern, und natürlich eine flache, liebliche Landschaft.


Auch kulturell bietet Hamburg viel. In der Kunsthalle bestaunte ich 4400 Gemälde, von den Alten Meistern bis zu Beuys.
Dix

Auch kulinarisch war ich sehr zufrieden, hervorragende Fischgerichte und auch ein hervorragendes indisches Lokal zogen mich an.

 


Auf der Cap San Diego, dem letzten funktionsfähigen Stückgutfrachter, heute ein Museum und Hotel- aber im Prinzip charterbar, war eine hochinteressante Ausstellung über die Auswanderung aus Europa. Während derzeit Europa Traumziel vieler Immigranten ist, war es im 19. und frühen 20. Jhdt umgekehrt. Millionen Menschen wanderten nach Nord- und Südamerika aus. Zuerst war Bremen ein Zentrum der Auswanderer, später Hamburg. Daran verdienten neben den Reedereien und der Bahn auch die Stadt.


Quarantäne vor und nach der lange Reise
Die deutsche Hapag errichtete in Veddel bei Hamburg ein richtiges Dorf für die Auswanderungswilligen. Dort wurden sie zuerst gereinigt und desinfiziert, medizinisch untersucht und mussten dann 14 Tage in Quarantäne verbringen. Geworben wurde mit gutem Essen und weiß gedeckten Tischen, die Unterkünfte waren weniger luxuriös, aber sauber. Angereist wurde mit der Bahn. Jüdischen Auswanderern bot die Hapag sogar koscheres Essen an.

Die eigentliche Überfahrt erfolgte auf dem Zwischendeck (3.Kl.). Das große Geld verdiente die Hapag in Wahrheit mit diesen Passagieren, nicht mit den wenigen, die sich die 1. oder 2. Kl. leisten konnten. Dies war einer der Anfänge des Ferntourismus.

In den USA angekommen, konnten die zahlungskräftigen Passagiere 1. und 2. Kl. in Manhatten aussteigen, die große Masse der 3. Kl. wurde auf Ellis Island interniert und umfangreichen Tests unterworfen. Sie wurden medizinisch und auch psychologisch getestet - mit den ersten Intelligenztests sollte verhindert werden, dass sich die "Dummen" in den USA überproportional verbreiten. Die Prozedur ging mehrere Tage und wurde als recht demütigend empfunden.

Auf der Cap San Diego kann man sich mehrere Stunden aufhalten und die Atmosphäre eines Schiffes aus den 50er Jahre richtig nachvollziehen.
 


Hamburg bot ein selten intensives Wochenende, das ich nur empfehlen kann. Ganz so romantisch wie Venedig ist es nicht, aber dank seinen Kanälen und Schifffahrtsstraßen ist es durchaus damit vergleichbar und das bei moderaten Preisen.

Dr. Norbert Fink

 

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